Der vibrierende Klang des Notrufs hallte durch die Brücke der Wotansklinge. Es war ein alter Code, lange nicht mehr verwendet – eine Frequenz, die tief aus der Dunkelheit kam. Wolfram von Hohenfeld starrte auf die Projektion, die sich in der Mitte des Holotisches formte. Verzerrte Symbole, unleserliche Bruchstücke einer Sprache, die so alt war wie die Sterne selbst.
„Das ist kein menschliches Signal“, murmelte Leni von Drachenheim, ihre Augen verengt, während sie die Muster analysierte. Ihre Uniform war makellos, ihre Haltung angespannt. Als oberste Strategin und Wolframs engste Beraterin hatte sie ein Gespür für Bedrohungen, die sich noch nicht vollständig offenbart hatten.
„Die Frage ist nicht nur, wer es gesendet hat“, sagte Wolfram, während er die Arme vor der Brust verschränkte. „Sondern ob es für uns bestimmt war.“
Ein Blick von ihm reichte, und die Crew auf der Brücke begann fieberhaft, das Signal zu entschlüsseln. Die Koordinaten führten sie an den Rand eines Nebels, der als Helheim-Drift bekannt war – eine Region, die selbst die furchtlosesten Kapitäne mieden. Hier verschlangen Gravitationsturbulenzen ganze Flotten, und Sensoren spielten verrückt, als würde die Realität selbst flackern. Die Wotansklinge glitt langsam durch den Nebel, ihre Scheinwerfer durchschnitten die Dunkelheit wie schmale Messer.
„Das ist Wahnsinn“, murmelte Oberleutnant Konrad Falk, während er auf die Scanner starrte. „Da draußen hat seit Jahrhunderten niemand überlebt.“
„Und doch hat jemand überlebt“, erwiderte Leni und tippte auf die Anzeige. „Da ist eine Struktur. Ein alter Außenposten.“
Wolfram lehnte sich nach vorne. Der Umriss der Station war schemenhaft, doch unverkennbar – ein Design, das tief in der Geschichte des Projekt Nordmark verwurzelt war. Diese Station gehörte einst ihnen. Aber warum war sie verlassen? Und wer hatte nun den Notruf gesendet?
„Wir werden es herausfinden“, entschied Wolfram. „Macht die Landung klar.“
Die Wotansklinge setzte mit präziser Eleganz auf dem Hauptdock der Station auf. Das Metall unter ihren Füßen war mit einer dünnen Eisschicht überzogen – die Stille des Todes lag in der Luft. Leni zog ihre Waffe, ebenso wie die übrigen Offiziere. Es war unklar, ob sie Feinde oder nur Gespenster der Vergangenheit erwarten würden.
Die Schleusentore öffneten sich mit einem gequälten Knirschen, und der dunkle Korridor dahinter schien endlos zu sein. Die Wände waren mit Runen übersät – dieselben Symbole, die sie aus der alten nordischen Eishöhle kannten. Der Ursprung der Haunebu-Technologie, das geheime Wissen über Sirius B, schien hier weitergeführt worden zu sein.
„Das ist kein Zufall“, murmelte Wolfram. „Jemand hat sich viel Mühe gegeben, dieses Wissen zu bewahren.“
Ein plötzliches Geräusch ließ sie innehalten. Eine schwache Bewegung in der Dunkelheit. Falk richtete sofort seinen Strahler aus.
„Wer ist da?“
Keine Antwort. Nur das Echo ihrer eigenen Stimmen. Doch dann – ein Flüstern, kaum hörbar.
„Ihr seid zu spät…“
Die Worte gefroren in der Luft, und für einen Moment glaubte Wolfram, er hätte sich verhört. Doch dann flackerte eine Gestalt am Ende des Korridors auf. Ein Mann, abgemagert, seine Augen hohl, seine Haut gezeichnet von den Jahren im Dunkeln. Ein Überlebender.
„Er bringt uns nichts, wenn er stirbt“, sagte Leni kühl und trat näher. „Wer seid Ihr? Wer hat den Notruf gesendet?“
Der Mann zitterte. „Es… es ist noch hier…“
„Was ist noch hier?“ drängte Wolfram.
Der Mann hob eine zitternde Hand und deutete hinter sie. Die Crew drehte sich um, ihre Waffen bereit. Doch da war nichts. Nur die Dunkelheit – und das Gefühl, beobachtet zu werden.
„Da ist niemand“, sagte Falk, aber seine Stimme zitterte leicht.
„Doch“, flüsterte Leni. „Da ist etwas. Etwas, das uns beobachtet.“
Wolfram spürte es auch. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Die Luft schien dichter zu werden, als ob die Dunkelheit selbst lebendig wäre. Doch die Schatten blieben passiv. Sie bewegten sich nicht, griffen nicht an. Sie waren einfach da – eine stille, bedrohliche Präsenz.
„Wir nehmen ihn mit“, entschied Wolfram. „Zurück zum Schiff. Jetzt.“
Die Crew formierte sich um den Überlebenden, ihre Waffen auf die Dunkelheit gerichtet. Schritt für Schritt bewegten sie sich rückwärts zum Schleusentor. Die Schatten folgten nicht, aber das Gefühl, beobachtet zu werden, blieb. Es war, als ob die Dunkelheit atmete – langsam, bedrohlich.
Als sie endlich die Wotansklinge erreichten, war die Spannung fast greifbar. Der Überlebende wurde an Bord gebracht, und die Schleusentore schlossen sich mit einem dumpfen Knall. Wolfram blickte zurück auf die Station, die jetzt wieder in der Dunkelheit verschwand.
„Was zum Teufel war das?“, fragte Falk, als die Wotansklinge langsam vom Dock abhob.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Wolfram. „Aber ich habe das Gefühl, wir werden es bald herausfinden.“
Die Schatten blieben zurück, aber ihr Eindruck blieb. Etwas in der Helheim-Drift war erwacht – etwas, das nicht wollte, dass sie hier waren. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ihm wieder begegnen würden.