Der Feind kam genau so, wie von Drachau es erwartet hatte. Präzise, entschlossen, aber zu vorhersehbar. Die Haunebu IV "Wotansklinge" hielt ihre Verteidigungsstellung, während das Abwehrfeuer durch die Angreifer fegte. Die Koordination der Feinde wirkte beinahe mechanisch, als würde jemand sie aus sicherer Entfernung steuern. Ihre Schiffe bewegten sich in perfekter Formation, ihre Angriffe waren präzise, aber seltsam zurückhaltend. Es war, als wollten sie die Wotansklinge nicht zerstören, sondern nur in eine bestimmte Richtung drängen.
„Das war’s schon?“, murmelte Wolfram und betrachtete die taktische Übersicht. „Fast enttäuschend.“ Sein Blick wanderte zu den Sensoren. Der Monolith in ihrem Frachtraum pulsierte schwach, seine Signale störten die Systeme wie ein Peilsender. Es war, als würde er ihre Position verraten – oder jemanden zu ihnen führen.
„Kapitän“, meldete sich die Kommunikationsoffizierin. „Wir empfangen zwei Funksprüche.“
Wolfram runzelte die Stirn. „Zwei?“
„Ja, Sir. Einer kommt aus der Helheim Drift – auf einer Frequenz, die seit Jahrzehnten nicht mehr verwendet wird. Der andere ist ein Notruf von der Svenska Rymdflottan.“
„Die Rymdflottan…“, murmelte Wolfram. Es war lange her, dass er von ihnen gehört hatte. Die schwedische Raumflotte war einst ein verlässlicher Verbündeter, doch ihre Spur hatte sich vor Jahren verloren. Dass sie nun einen Notruf absetzten, bedeutete nichts Gutes.
„Spielen Sie den Notruf ab“, befahl er.
Ein statisches Rauschen erfüllte die Brücke, gefolgt von einer verzerrten Stimme: „Hier spricht Kapitän Arvid Halvarsson von der Stormraven… Wir befinden uns unter schwerem Beschuss… Unser Standort… Koordinaten Alpha-Null-Drei-Zwei… Sind nicht mehr lange haltbar… Wiederhole: Wir werden ausgelöscht! Falls jemand dies hört… Nordische Brüder, helft uns!“ Dann brach die Verbindung ab.
Stille legte sich über die Brücke. Jeder an Bord wusste, was dies bedeutete. Falls sie Halvarsson und seine Leute retten wollten, mussten sie alles stehen und liegen lassen. Doch sie waren in der Helheim Drift erst angekommen. Und dort wartete bereits die nächste Katastrophe.
„Verdammt…“, murmelte Wolfram. Die alten Verbündeten aus dem Norden brauchten Hilfe. Doch wenn sie jetzt umkehrten, würden sie womöglich die Spur der Helheim Drift verlieren – und mit ihr die Antworten, die sie so dringend benötigten.
Sein Erster Offizier, Leutnant Rieger, trat an ihn heran. „Kapitän, wenn wir die Stormraven retten wollen, brauchen wir mindestens fünf Stunden für den Sprung. Wir haben keine Garantie, dass sie so lange durchhalten.“
„Und wenn wir bleiben, verlieren wir vielleicht jede Chance, sie zu retten“, erwiderte Wolfram düster.
„Aber wenn wir jetzt aufbrechen, riskieren wir, dass uns das gleiche Schicksal ereilt. Wir wissen nicht, was sie angegriffen hat. Und mit dem Monolithen an Bord…“ Rieger ließ den Satz unvollendet, doch die Bedeutung war klar. Der Monolith zog Feinde an. Sie hatten es bereits erlebt.
Wolfram blickte zu Valeska, die schweigend an seiner Seite stand. Ihre Augen waren auf die taktische Holographie gerichtet, als ob sie die Antwort in den pulsierenden Linien finden könnte. „Was denkst du?“, fragte er.
„Es ist zu einfach“, sagte sie langsam. „Der Angriff, der Notruf… alles passt zu gut zusammen. Als ob jemand uns in eine bestimmte Richtung lenken will.“
Wolfram nickte. „Genau das habe ich auch gedacht. Aber warum? Was haben sie davon, wenn wir die Stormraven retten? Oder wenn wir es nicht tun?“
„Vielleicht geht es gar nicht um die Stormraven“, erwiderte Valeska. „Vielleicht geht es um uns. Um den Monolith.“
Ein kalter Schauer lief Wolfram den Rücken hinunter. Der Monolith – das verdammte Ding war seit dem Moment, als sie es an Bord genommen hatten, nichts als Ärger. Seine Signale störten die Systeme, zogen Feinde an, und jetzt schien es sogar ihre Entscheidungen zu manipulieren.
„Wir müssen Prioritäten setzen“, entschied er schließlich. „Die Helheim Drift hat jetzt oberste Priorität. Aber wir dürfen die Stormraven nicht einfach vergessen. Schicken Sie eine Antwort, verschlüsselt, mit allen verfügbaren Frequenzboostern. Lassen Sie sie wissen, dass sie nicht vergessen sind.“
Während sich die Crew sammelte und sich auf die kommenden Ereignisse vorbereitete, hallte die letzte Störfrequenz des Monolithen unheimlich durch die Kommandozentrale. Wolfram war sich sicher: Die Bedrohung war noch nicht vorbei. Irgendwo da draußen lauerte etwas – etwas, das sie in eine Falle locken wollte. Und er hatte keine Ahnung, wie er sie daraus befreien sollte.