Die Haunebu IV verließ den Ymir-Nebel mit einem leisen Summen, als der Hyperraumantrieb aktiviert wurde. Die Crew atmete erleichtert auf, als die seltsamen, blau schimmernden Gaswolken des Nebels hinter ihnen verschwanden. Die elektromagnetischen Störungen ließen nach, und die Sensoren kehrten langsam zur Normalität zurück. Doch die Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Die Ereignisse an Bord der Stormraven lasteten schwer auf den Schultern aller.
Wolfram von Drachau stand auf der Brücke, seine Hände hinter dem Rücken verschränkt, und blickte durch das große Panoramafenster in die Schwärze des Alls. Die Sterne schienen heute besonders kalt und distanziert. Er spürte die Blicke seiner Crew auf sich ruhen – sie erwarteten Führung, Antworten, die er nicht hatte. Doch er wusste, dass sie keine Zeit hatten, um zu zögern. Die Schatten waren real, und sie waren näher, als sie dachten.
„Kommandant“, meldete sich Freya Eisenhauer, seine Erste Offizierin. „Wir haben den sicheren Raum erreicht. Alle Systeme funktionieren normal.“
Wolfram nickte knapp. „Gut. Bringen Sie die Überlebenden der Stormraven in die Krankenstation. Ich werde mich um Arvid kümmern.“
Die Krankenstation der Haunebu IV war ein Ort der Stille, unterbrochen nur durch das leise Summen der medizinischen Geräte. Arvid Halvarsson, der einst so stolze und unerschrockene Kapitän der Stormraven, lag auf einer der Liegen, sein Gesicht von Strapazen gezeichnet. Seine Augen waren geschlossen, aber als Wolfram den Raum betrat, öffnete er sie langsam.
„Wolfram“, flüsterte Arvid, seine Stimme rau und gebrochen. „Du bist gekommen.“
„Ich hätte dich nie zurückgelassen“, antwortete Wolfram und setzte sich an das Bett. „Was ist passiert, Arvid? Wer hat euch angegriffen?“
Arvid schloss die Augen für einen Moment, als würde er versuchen, die Erinnerungen zu ordnen. „Es waren die Dänen“, sagte er schließlich. „Einst Verbündete, jetzt Feinde. Sie kamen aus dem Nichts, ohne Vorwarnung. Ihre Schiffe waren… anders. Schneller. Stärker. Wir hatten keine Chance.“
Wolfram runzelte die Stirn. „Die Dänen? Warum sollten sie euch angreifen?“
„Ich weiß es nicht“, gab Arvid zu. „Es gab keine Kommunikation, keine Forderungen. Sie haben einfach angegriffen. Und als wir besiegt waren, ließen sie uns im Ymir-Nebel zurück. Dann kamen die Schatten.“
Wolfram lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Die Schatten… sie sind überall. Wir haben sie in der Helheim Drift gesehen. Sie sind kein Zufall, Arvid. Sie sind Teil von etwas Größerem.“
Wolfram erzählte Arvid von den Ereignissen der letzten Wochen – von dem Monolithen, den Runen, die niemand entschlüsseln konnte, und von den Schatten, die sie in der Helheim Drift verfolgt hatten. Er sprach von Erik Dahl, seinem alten Freund und nun Verräter, der sich den Feinden angeschlossen hatte. Und er erzählte von Karl Seidel, dem letzten Überlebenden der Drift, der von den Schatten gezeichnet war.
Arvid hörte schweigend zu, sein Gesicht eine Maske aus Schock und Unglauben. „Erik…“, murmelte er schließlich. „Ich kann nicht glauben, dass er dich verraten hat.“
„Ich auch nicht“, gab Wolfram zu. „Aber er ist nicht mehr der Mann, den wir kannten. Und jetzt müssen wir herausfinden, warum.“
Wolfram führte Arvid zu Karl Seidel, der in einer abgedunkelten Ecke der Krankenstation saß. Karls Augen waren weit aufgerissen, als würde er etwas sehen, das niemand sonst wahrnehmen konnte. Als Wolfram und Arvid näher kamen, hob er langsam den Kopf.
„Karl“, sagte Wolfram sanft. „Das ist Arvid Halvarsson, der Kapitän der Stormraven. Er hat die Schatten auch gesehen.“
Karl nickte langsam, seine Hände zitterten leicht. „Sie sind überall“, flüsterte er. „In der Drift… im Nebel… sie warten nur darauf, dass wir den nächsten Schritt machen.“
Arvid setzte sich neben Karl und musterte ihn mit einem Blick, der sowohl Mitgefühl als auch Neugier zeigte. „Was haben sie dir angetan, Kamerad?“
Karl schloss die Augen und atmete tief ein. „Sie haben mich berührt… in meinem Geist. Sie haben mir Dinge gezeigt… Dinge, die ich nicht verstehe. Aber sie sind real. Und sie kommen.“
Später versammelten sich Wolfram, Arvid, Karl und die Führungsoffiziere der Haunebu IV in der Kommandozentrale. Die Stimmung war angespannt, aber entschlossen. Wolfram stand am Kopf des Tisches, seine Augen wanderten von einem Gesicht zum anderen.
„Wir stehen vor einer Bedrohung, die größer ist als alles, was wir je gesehen haben“, begann er. „Die Schatten, die Edda, die Angriffe der Dänen – alles hängt zusammen. Und wir müssen herausfinden, wie.“
Arvid nickte langsam. „Wir haben keine Wahl. Wenn wir nicht handeln, werden sie uns alle vernichten.“
Wolfram sah ihn an. „Arvid, ich biete dir und deiner Crew an, sich uns anzuschließen. Zusammen haben wir eine Chance, die Wahrheit zu finden.“
Arvid zögerte nur einen Moment, dann streckte er die Hand aus. „Wir sind dabei.“
Die Haunebu IV war nun ein Schiff mit zwei Besatzungen – der ursprünglichen Crew und den Überlebenden der Stormraven. Die Integration verlief reibungslos, aber die Spannung war spürbar. Jeder wusste, dass die nächste Mission gefährlich werden würde.
Wolfram stand auf der Brücke und blickte in die Sterne. Er wusste, dass sie bald entscheiden mussten, wohin sie als Nächstes gehen würden. Doch für den Moment war es wichtig, dass sie alle an einem Strang zogen.
„Kommandant“, meldete sich Freya. „Die Systeme sind bereit. Die Crew ist einsatzbereit.“
Wolfram nickte. „Gut. Wir werden bald entscheiden, wohin uns die Reise führt. Aber jetzt… jetzt ruhen wir uns aus.“
Als die Haunebu IV durch den sicheren Raum glitt, flackerten die Lichter auf der Brücke für einen kurzen Moment. Wolfram drehte sich um, sein Blick wanderte zu den Monitoren. Für einen Augenblick schien es, als ob sich ein Schatten über die Bildschirme bewegte – schnell, fast unmerklich.
„Hat das jemand gesehen?“, fragte er, seine Stimme ruhig, aber mit einem Unterton von Besorgnis.
Freya schüttelte den Kopf. „Es war wahrscheinlich nur eine Störung.“
Wolfram sagte nichts, aber er wusste, dass die Schatten noch da waren. Sie warteten nur auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen.
Die Haunebu IV ist bereit für die nächste Mission, aber die Bedrohung durch die Schatten ist näher als je zuvor. Die neue Allianz zwischen der Crew der Haunebu IV und den Überlebenden der Stormraven gibt Hoffnung, aber auch neue Herausforderungen. Die Entscheidung über das nächste Ziel steht noch aus, und die Schatten lauern im Hintergrund, bereit, zuzuschlagen.