Die dunklen Schatten der Helheim-Drift hatten sich noch nicht ganz hinter ihnen geschlossen, als Wolfram den Kommandostand der Wotansklinge betrat. Die Luft war schwer von unausgesprochenen Fragen, die Crew angespannt. Die Entdeckung der verlassenen Station und ihrer furchtbaren Geheimnisse hatte etwas in ihnen verändert. Doch es war nicht nur das Grauen der Vergangenheit – etwas hatte sie beobachtet. Sie hatten abermals Feindkontakt. Jemand folgte ihnen.
„Statusbericht!“, befahl Wolfram scharf, doch seine Stimme hallte seltsam in der Kommandozentrale wider. Als wäre da ein Echo, das nicht von den Wänden kam. Hauptoffizierin Freya Eisenhauer trat vor, ihr Blick ruhte für einen Moment auf dem einzigen Überlebenden der Drift – Leutnant Karl Seidel. Der Mann, der eigentlich nicht existieren dürfte, laut Logik. Karl saß mit eingefallenen Schultern auf einem der Beobachtungssitze, die Augen glasig, das Gesicht blass.
„Die Scans zeigen verstärkte Aktivität unbekannter Signaturen in unserem Operationsgebiet“, meldete Freya. „Es ist offensichtlich, dass wir nicht allein sind.“
„Keine Überraschung“, murmelte Wolfram und musterte Karl. „Und? Was hast du gesehen?“
Karl blinzelte langsam, als müsse er erst aus einer anderen Welt zurückkehren. „Es... Es war kein Funksignal, kein Licht, keine Bewegung.“ Seine Stimme war rau, kaum mehr als ein Flüstern. „Aber es war da. Ein Schatten, der tiefer ist als das Nichts selbst. Er ist nicht nur da draußen. Er... Er ist hier.“
Stille senkte sich über den Raum. Die Crew tauschte unruhige Blicke aus. Ragnar Falk, der Taktikoffizier, räusperte sich. „Meinst du, es war eine Tarnvorrichtung? Etwas, das sich mit unserer Realität überlappt?“
Karl lachte leise, ein tonloses, nervöses Geräusch. „Nein, es ist älter als Tarnfelder oder Quantenverschränkung. Es ist... ein Echo. Eine Erinnerung, die sich selbst erhalten hat. Ein Flüstern der Vergangenheit, das darauf wartet, dass jemand zuhört.“
Freya trat näher. „Und was genau hat es geflüstert?“
Karl öffnete den Mund, doch kein Wort kam heraus. Dann – mit einer plötzlichen, mechanischen Bewegung – fuhr sein Arm nach oben, als würde er von unsichtbaren Fäden gezogen. Seine Lippen bewegten sich, doch die Stimme, die ertönte, war nicht seine eigene.
„Der Weg ist geschlossen. Die Tore sind versiegelt. Doch Blut und Verrat können sie wieder öffnen.“
Ein Schauer lief durch die Versammlung. Wolfram ballte die Fäusten. „Das reicht. Seidel, bringen Sie ihn auf die Krankenstation. Wir analysieren die Daten der Station weiter – und finden heraus, was das bedeutet.“
Während die Kryptologen fieberhaft an der Enigma-X arbeiteten, tauchten neue Anomalien auf den Sensoren auf. Kein Feind, keine Jäger – sondern Verzerrungen im Raum selbst. Wellen aus Dunkelheit, als hätte sich die Realität verzogen. Die Crew beobachtete die Anomalien mit wachsender Besorgnis, doch sie griffen nicht an. Sie waren einfach da – eine stille, bedrohliche Präsenz.
Valeska trat an Wolframs Seite. „Das ist kein gewöhnlicher Gegner.“
Er nickte. „Dann kämpfen wir nicht – wir überleben.“
Die Wotansklinge bereitete sich auf den nächsten Sprung vor. Die Crew arbeitete unter Hochdruck, um die Systeme zu überprüfen und die Schilde zu verstärken. Doch die Anspannung war spürbar. Jeder wusste, dass die Bedrohung noch nicht vorbei war.
Wolfram stand am Fenster der Kommandozentrale und blickte in die Dunkelheit. Die Schatten der Helheim-Drift waren verschwunden, aber ihr Eindruck blieb. Etwas in der Dunkelheit lauerte – etwas, das nicht wollte, dass sie hier waren.
„Wir werden es herausfinden“, sagte er leise. „Was auch immer da draußen ist – wir werden es herausfinden.“